Journeyman: „Ohne Reißleine kann es nur interessanter werden“

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Jobs auf fünf Kontinenten, zwei Jahre unterwegs, das Ganze gestartet mit 255 Euro – Fabian Sixtus Körner alias Journeyman im Interview über Lebensqualität, Glücklichmacher, Geld und Bedürfnisse. Und über die täglichen Routinen, die das Leben vielleicht einfacher machen, aber nicht zwingend für mehr Zufriedenheit sorgen.

Nach dem Studium bist du nicht sofort ins klassische Berufsleben eingestiegen, sondern hast eine zweijährige Design-Walz gemacht. Warum?

Für mich war klar, dass ich noch einmal auf Reisen gehen will. Es ist aber auch so, dass ich gerne als Designer und Gestalter arbeite. Somit wollte ich auch arbeiten, wenn ich unterwegs bin.

Ich dachte mir, dass ich leichter einen Job bekomme, wenn ich für die Leute vor Ort über die Tradition der Walz arbeite, sie also nur für meine Grundbedürfnisse sorgen müssen. Und dass ich dadurch so tief, wie es geht, in eine Kultur eintauchen kann.

Das hat ganz gut funktioniert. Ich habe meistens auch bei den Leuten gewohnt, die mir einen Job gegeben oder vermittelt haben. Oder direkt am Arbeitsplatz, wie z.B. in Indien. Meinen ersten Job in Shanghai bekam ich über einen ehemaligen Professor vermittelt. Danach lief es über Kontakte: viel mit Leuten reden und Recherche im Internet in den Bereichen Design, Fotografie oder Innenarchitektur. Mit der Zeit wurde es dann auch einfacher, da mich und mein Projekt schon einige Leute kannten.

Hat dich diese Entscheidung viel Mut gekostet?

Nein, weil ich einfach nur los wollte. Und ich dachte mir, ohne Reißleine kann es nur interessanter werden. Durch meine vorherigen Reisen habe ich viel Vertrauen in meine Mitmenschen. Ich brauche ja nichts als ein bisschen was zu essen, um zu überleben. Ich muss wirklich keine Angst haben, dass ich verhungere oder erfriere oder sonst wie zugrunde gehe.

Wie ordnest du diese Reise ein? Verwirklichung eines Traumes?

Ich glaube, das war eher so eine Art Notwendigkeit für mich. Ich wusste, dass ich einfach nicht glücklich werde in dem Leben, das ich vor der Reise hatte und das mir nach der Ausbildung bevorstehen könnte – also den ganzen Tag zu arbeiten und keine Freiräume für Experimente zu haben oder dafür, eigene Ideen umzusetzen. Da musste ich rauskommen. Es gab zu diesem Zeitpunkt keine andere Option für mich.

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Was bedeuten Begriffe wie Arbeit, Karriere oder Geld für dich?

Klar spielt Geld eine Rolle. Ich kann aber eindeutig sagen, dass ich nach dieser Reise um einiges entspannter mit den Themen Karriere und Geld umgehe. Ich habe gesehen, dass ich mit relativ wenig auskommen kann und dass es immer Menschen gibt, an die ich mich wenden kann. Ich verpflichte mich auch weiterhin nicht zu Arbeiten, die nur dazu da sind, einen hohen Lebensstandard zu finanzieren. Mein Standard ist relativ niedrig. Dadurch habe ich viel Zeit, mich um Sachen, die ich gerne mache, zu kümmern und diese vielleicht zu monetarisieren. Im Endeffekt bedeutet das um einiges mehr an Lebensqualität. Ich bin auch der Meinung, dass Aufträge, die ich explizit für Geld erledige, in der Qualität des Endergebnisses nicht so gut sind wie meine freien Projekte.

Was ist das Wichtigste, das du von dieser Walz mitgenommen hast?

Es gibt auf jeden Fall viele kleine Sachen, die mich heute in meinem Lebensstil beeinflussen. Darunter fällt, dass ich meine Grenzen überschreiten und Routinen durchbrechen muss. Es geht darum, Sachen wieder zu etwas Besonderem zu machen, dass man genießen kann. Das ist ja auch das Problem an einer Routine. Man pickt sich die Sachen heraus, die man gerne macht und dann macht man sie die ganze Zeit, und irgendwann kann man sie nicht mehr wertschätzen. Für mich geht es darum gegenzusteuern, wenn mich meine Routinen nicht loslassen und ich anfange, mich deshalb unwohl zu fühlen. Das anschließende Glückgefühl, dass man es geschafft hat, ist immer wieder überwältigend. Das ist die wichtigste Erkenntnis und ich werde versuchen, sie für den Rest meines Lebens nicht mehr loszulassen.

Was würdest du Leuten sagen, die in diesem beruflichen Hamsterrad gefangen, unzufrieden sind?

Ich weiß gar nicht, ob ich da der beste Ratgeber bin. Aber es ist auf jeden Fall so, dass man in einem bestimmten Moment versuchen muss, alles klar zu machen. Wenn jemand soweit ist zu sagen „ich muss da jetzt raus“, dann ist das meistens auch der Tiefpunkt, an dem einem alles egal ist. Dann schläft man zwei, drei Tage drüber und dieses Unwohlsein ist schon wieder ein bisschen abgeklungen. Man muss diesen Moment des absoluten Tiefpunktes nutzen, weil er immer wieder kommen wird.

Buchtipp

 

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Buchcover „Journeyman“

In „Journeyman – 1 Mann, 5 Kontinente und jede Menge Jobs“ (2013) beschreibt Fabian Körner seine Reise um die Welt. Das Besondere dabei: es war keine normale Weltreise, sondern er begab sich auf eine Design-Walz. An die alte Tradition der Wandergesellen angelehnt, bot er seine beruflichen Fertigkeiten auf fünf Kontinenten nur gegen Kost und Logis an. Das Ergebnis: eine mehr als zwei Jahre dauernde Reise, Arbeit als Grafiker, Designer, Architekt oder Fotograf, über sechzig Orte und jede Menge Erfahrungen.

www.fabsn.com/

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