Zum Yoga-Lehrer im Himalaya

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Der Schweizer Benoît Guillod verbrachte im April 2010 vier Wochen in einem Aschram in Nordindien. In einem kleinen Ort, wo der Ganges noch als glasklarer Fluss durch den Himalaya rauscht, ließ er sich zum Yogalehrer ausbilden. Im Interview berichtet er von unterschiedlichen Auffassungen von Yoga und den Tücken der Ausbildung.

Wie kam es, dass du in Indien eine Yogalehrer-Ausbildung gemacht hast?

Eigentlich suchte ich nach einem längeren Yoga-Kurs in einem Aschram, nicht nach einer Lehrerausbildung. Ich war zu dieser Zeit im indischen Himalaya am Reisen und fragte immer wieder nach Kursen. So sah ich alles Mögliche – aber entweder waren die Anbieter unseriös, oder die Ausbildung war mir zu hinduistisch geprägt.

Wie fandest du schließlich etwas Passendes?

Ashram Indien, Sivananda, Himalaya

Ashram Uttarkashi

Ich besann mich zurück auf die Zeit, als ich das erste Mal 2007 nach Indien ging. Während meines Studiums der Umweltwissenschaften verbrachte ich ein Auslandssemester an einer Universität in Chennai. Die Möglichkeit, eine mir völlig unbekannte Kultur kennenzulernen, reizte mich mehr. In Chennai nahm ich bei einer Organisation namens Sivananda das erste Mal Yoga-Unterricht – und war zufrieden. In Uttarkashi im nordindischen Bundesstaat Uttarakhand betreibt Sivananda einen Aschram und bietet Lehrerausbildungen an. Da der Ort nicht allzu weit entfernt war, entschied ich mich für diesen Aschram. Die Ausbildung bei Sivananda sprach mich an, weil sie eine lange Lehrtradition hat und gleichzeitig auf ein westliches Publikum ausgerichtet ist.

Wie unterscheidet sie sich von typisch westlichen Kursen?

In Europa praktizierst du vielerorts nur Asana-Yoga, beschränkst dich also auf körperliche Übungen. Die Ausbildung bei Sivananda war viel umfassender: Wir befassten uns mit der Philosophie hinter Yoga und lasen in der Bhagavad Gita – einer zentralen Schrift des Hinduismus. Der größte Teil des Programms bestand aber aus praktischen Yoga-Übungen: Nach indischem Verständnis gehören dazu neben Asanas auch Meditation, Gesänge, Entspannungs- und Atemübungen sowie Karma-Yoga.

Und was ist Karma-Yoga?

Nach Theorie bedeutet es, etwas zu tun, ohne sich mit dem Ergebnis der Handlung emotional verbunden zu fühlen. Oft wird Karma-Yoga als uneigennütziger Einsatz interpretiert. Bei uns hieß das etwa den Boden zu putzen. Dabei versuchst du, deiner Aufgabe bewusst nachzugehen und andere Gedanken aus deinem Kopf zu verbannen. Diese starke Konzentration auf eine Tätigkeit ist bereits eine Stufe von Meditation.

Gab es kulturelle Missverständnisse zwischen Teilnehmern und Lehrern?

Eigentlich recht wenig. Der indische Unterrichtsstil war aber für einige der internationalen Teilnehmer ungewohnt: Einerseits erklärten die Lehrer oft alle Details zu einem Thema, bevor sie auf den Kern zu sprechen kamen. Andererseits wurde vom Schüler diszipliniertes Zuhören ohne Zwischenfragen erwartet.

Wie intensiv war die Ausbildung?

Um sechs Uhr Früh ging das Programm bereits los. Es gab nur wenige Pausen – insgesamt etwa vier Stunden. In dieser Zeit solltest du aber auch Vorlesungen zusammenfassen und essen. Meistens freute ich mich nach der letzten Lektion um zehn Uhr abends auf mein Bett.

Apropos Essen: Wie war die Küche?

Sehr lecker! Gekocht wurde vegetarisch, ohne Zwiebeln und Knoblauch. Koffein sollten wir nicht konsumieren, deshalb gab es viel Kräutertee. Ab und zu erlaubte uns die Aschram-Leiterin aber Schwarztee. Sie meinte, dass ihre Schüler sonst irgendwann umfallen würden. Schwierig war für mich der Essrhythmus: Die erste Mahlzeit gab es um zehn Uhr morgens – nachdem du schon über vier Stunden aktiv warst –, die zweite erst um sechs Uhr abends.

Und was hast du in der knappen Freizeit gemacht?

Ich war viel draußen. Der Aschram liegt direkt am Ganges in einem Bergtal vor der malerischen Kulisse des Himalaya. Entweder gingen wir im kühlen, glasklaren Fluss baden oder wir genossen die Landschaft bei einem Spaziergang.

Yoga Lehrer im Himalaya

Benoît Guillod

Wie fühltest du dich nach der Ausbildung?

Zufrieden, weil es eine intensive und gleichzeitig eine sehr schöne Zeit war. Es war aber auch verwirrend: Ich reiste ziemlich direkt in die Schweiz zurück und wurde deshalb in kürzester Zeit von der Ruhe des Aschrams in die Hektik des Berufslebens zurückversetzt.

Bemerktest du Veränderungen an dir?

Klar, zu diesem Zeitpunkt war mein Körper beweglich wie nie zuvor. Ich nahm alles viel lockerer und konnte mich gleichzeitig besser konzentrieren. Es war ein sehr angenehmer Zustand, der einige Monate anhielt. Bis heute praktiziere ich Yoga – mal mehr, mal weniger. Um Yogakurse zu geben, fehlt aber die Zeit.

Merci, für das Interview! 

Titelbild: „Yoga vid Dödsklippan“ © Andreas Ivarsson via flickr.com CC BY 2.0

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