Herbst – Zauber oder Alptraum?

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Herbst. Die Tage werden kürzer. Die Nächte länger. Die Sonne scheint nur an vereinzelten Tagen, indem sie sich kraftvoll ihren Weg durch die dicke Nebeldecke bahnt. Die Blätter der Bäume verwandeln sich – aus dem Einheitsgrün wird eine bunte Vielfalt, was den Wald in ein gelb-rot-oranges Farbenmeer tauchen lässt. Die Natur erblüht in ihrer schönsten Pracht und rüstet sich für den Winter.

Youbeee Expertenbeitrag

Und was tun wir? Wie bereiten wir uns auf die kommende Zeit vor, in der Sonne Mangelware ist und negative Stimmung im Überfluss herrscht?

Eingehend lasse ich mir diese Frage durch den Kopf gehen. Im Tram, wo ich dem Gerede der anderen Passagiere zuhöre und erkenne, dass die negative Stimmung bereits Einzug gehalten hat. Im Strassenverkehr, wo ich mit meiner Vespa mit grosser Aufmerksamkeit durch die Stadt fahre, um gestressten Autofahrern bei ihren riskanten Manövern rechtzeitig auszuweichen. Oder im Vegi-Restaurant, wo ich die vorwiegend weiblichen Gäste aufmerksam studiere.

Schliesslich gelange ich zur Erkenntnis: Die meisten Leute stimmen sich nicht auf die Herbstzeit ein, sondern versuchen krampfhaft, am vergangenen Sommer und an den damit verbundenen Erinnerungen festzuhalten, obwohl der Herbst schon unwiderruflich die Überhand gewinnt. Weigern wir uns jedoch, den Herbst willkommen zu heissen und seine Vorzüge zu schätzen, werden wir ihn ziemlich sicher als Alptraum wahrnehmen. Die vielen grauen Tage, an denen uns die Nebeldecke zu erdrücken droht und jeglichen Antrieb zu Neuem im Keim zu ersticken scheint. Die Regentage, in denen die Natur trauert und sämtliche Schleusen öffnet. Die gestressten und nervösen Leute, die uns täglich in den Wahnsinn treiben wollen.

Aber Halt! Es gibt durchaus auch die schönen Seiten des Herbstes – wenn wir uns die Zeit nehmen, aus unserem Alltag auszubrechen, um sie zu entdecken: Ausgedehnte Waldspaziergänge, die nebst der frischen Luft, die uns neue Energie einhaucht auch das prachtvolle Blättermeer bieten, dessen Farben unsere Seele berühren und inspirieren. Die Möglichkeit, uns abends in die eigenen vier Wände zurückzuziehen und in aller Ruhe – bei Kerzenlicht – über die vergangenen Monate nachzudenken. Oder einfach nur dazusitzen und unsere Seele baumeln zu lassen. Der Herbst beschert uns die Möglichkeit, Neues anzupacken, indem wir aus dem Alten der vergangenen Monate lernen. Wir haben immer noch alle Zeit der Welt dieses Jahr in einen persönlichen Erfolg zu verwandeln. Nichts ist zu spät – nichts ist zu früh.

Der Herbst erlaubt uns, in den dunklen Stunden endlich zur Ruhe zu kommen, auf unsere innere Stimme zu hören, um dann den richtigen Weg einzuschlagen, der bereits längere Zeit vor uns ausgebreitet war – jedoch konnten wir ihn vor lauter Aktivismus nicht erkennen.

Wir brauchen die Korrektur unseres Weges nicht auf das neue Jahr zu verschieben, sondern können sofort damit beginnen. Die Herbstsonne wird uns dabei zulächeln und die farbigen Blätter voller Freude zuwinken, wenn wir unser Herz für die Schönheit der Natur öffnen und mit der Stärke des Herbstes unser Leben aufs Neue in die Hand nehmen.

Die Natur fürchtet sich nicht vor dem kalten Winter. Im Gegenteil. Sie erstrahlt in voller Pracht und zaubert ihre schönsten Farben hervor, um ihm voller Selbstbewusstsein entgegenzusehen. Und was tun wir?

Titelbild: „Herbst“ by wiwenir via flickr.com (no copyright)

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