Gemütliche Lesezeit ca. 18 Minuten.
Wie eine Tinder-Bekanntschaft zum größten Abenteuer werden kann…
Wer glaubt heutzutage noch an die große Liebe via Datingapp? Ich denke niemand, zumindest nicht so richtig überzeugt. Ich hatte auch nicht mehr daran geglaubt – nie im Leben! Tinder und ich, es war schon immer eine Hass-Liebe, eher ein netter Zeitvertreib am Abend auf der Couch.
Ein mutmachender Leserbeitrag von Bolle & Marco
Im November 2015 hatte ich dann wieder ein „Match“ – Marco, 26 Jahre aus Stuttgart und verdammt gutaussehend. Wir schrieben ein paar Male hin und her – Smalltalk eben. Wo wohnst du? Was machst du? Welche Musik hörst du? Naja, die üblichen Fragen eben. Dann blieb es ruhig. Ich in Berlin, er in Stuttgart – das funktioniert ja sowieso nicht. Er meinte, er würde sich melden sobald er mal wieder in Berlin ist. Und das tat er zu meiner Überraschung dann auch.
Ende Januar trafen wir uns dann in einem hippen Club in Berlin-Mitte. Ich war gerade mit einem Haufen von Mädels feiern und relativ locker drauf. Und was dann passierte, kann ich heute noch nicht verstehen. Sympathie seit der ersten Sekunde! Wir tanzten und unterhielten uns bis in die Morgenstunden. Auch den kompletten nächsten Tag vebrachten wir zusammen. Es knisterte, es knisterte heftig! Alles war einfach perfekt.
Dennoch habe ich mir nicht viel dabei gedacht, einfach den Moment genossen – schließlich musste er wieder zurück nach Stuttgart und ich zurück an meinen Schreibtisch in Berlin. Würden wir uns wiedersehen? Nach der Verabschiedung am Flughafen wusste ich aber: „Ich muss diesen Kerl wiedersehen! Unbedingt!“
Eines Tages erzählte er mir von seinen Plänen…
Und so kam es dann auch. Wir pendelten zwischen Berlin und Stuttgart, verbrachten wunderbare Tage zusammen und lernten einander kennen. Eines Tages erzählte er mir von seinen Plänen. Er hat an unserem ersten Abend bereits kurz darüber gesprochen aber Wow, seine Pläne waren doch viel größer als ich dachte! Schon immer wollte er in die Ferne, jedoch zogen ihn Alltag und Sorgen immer wieder zurück. In diesem Jahr sollte es aber anders ein. Jetzt wollte er es anpacken und keine Ausreden mehr finden. Er wollte die Welt sehen, einfach mal losziehen. Viel zu lange hatte er darauf gewartet. Er sagte auch, dass keine Frau ihn davon abhalten könnte.
Im ersten Moment war ich geschockt. Wird jetzt die Seifenblase platzen und alles war umsonst? Wird er nun einfach gehen und mich stehenlassen? Ich wusste gar nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich war traurig und enttäuscht. Nicht wieder ein (Tinder)-Reinfall!
Dennoch trafen wir uns nochmals in Frankfurt. Wir wollten die Zeit einfach nur zusammen genießen. Wir redeten viel über seinen Traum. Ich erzählte ihm, dass ich das Reisen liebe und selbst gerne ausreißen würde. Ich fühlte mich aber gebunden, hatte einen festen Job, Familie und Freunde. Ich habe mir nie ernsthaft Gedanken darüber gemacht, alles stehen und liegen zu lassen und loszuziehen. Klar habe ich mich auch in Hängematten gesehen, mit einer Kokosnuss in der Hand. Wer träumt nicht von dieser einen großen Reise?
Komm doch einfach mit!
Er merkte, dass ich genauso tickte wie er. Er spürte, dass ich es eigentlich auch will. Dann sagte er: „Komm‘ doch einfach mit! Du willst es doch genauso wie ich!“ Hatte er das gerade ernsthaft gesagt? Wollte er mich mitnehmen auf die große Reise? Oder wollte er mich nur ruhigstellen? Ich wusste nicht, was ich denken oder sagen sollte. Also sagte ich erst einmal gar nichts. Ich wollte nicht, dass er seinen Traum aufgibt. Ich wollte mich nicht aufdrängen oder aus Mitleid mitgenommen werden.
Nun war ich nur noch mehr verwirrt. Ich sprach mit meinen Freunden und alles was sie sagten war: „Mach es doch! Was hast du zu verlieren?“ Und was soll ich sagen? Sie hatten Recht. Was hatte ich schon zu verlieren? Mir wurde klar, dass alles im Leben ersetzbar ist: Job, Wohnung, materielle Dinge. Aber was wir nicht ersetzen können ist die Zeit. Denn sie rennt immer unaufhörlich weiter. Und so kam ich zu dem Entschluss: „Alles klar, ich werde es tun! Ich werde mich in dieses Abenteuer stürzen!“. Die Zukunft ist ungewiss aber vielleicht ist es auch gut so. Mal nichts planen. Mal nicht zu wissen was in den nächsten Monaten so auf einen zukommt. Ich wusste, ich hätte es mein Leben lang bereut, hätte mich immer wieder gefragt, was wäre gewesen wenn… Und ich gehöre nicht zu den naiven Mädels die rosarote Brillen auf der Nase haben. Ich hätte es nicht gemacht, wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre. Ich hatte ja auch immer noch meinen Worst-Case-Plan und der hieß: „Wenn es in die Hose geht, gehe ich halt wieder zurück in mein altes Leben“. Und mein altes Leben war super und so war dieser „Worst-Case“ nun gar nicht so schlimm.
Die Zeit ist viel zu kostbar
Ich habe für den Traum von anderen gelebt und gearbeitet. Jetzt bin ich auch mal an der Reihe – nun sind wir an der Reihe. Wir haben alle eigene Visionen und Träume und vielleicht sollten wir diesen endlich mal etwas mehr Priorität schenken? Auch wir wollen uns unsere Welt nun selbst kreieren. Ein leeres Blatt Papier nehmen und sie allmählich mit Inhalt füllen.
Vor der großen Reise wollten wir aber noch ein kleineres Abenteuer starten. Und so saßen wir bereits im Mai gemeinsam in einem VW-Bus nach Portugal. Wir machten einen genialen Roadtrip, die Küste entlang von Porto bis runter nach Lissabon. Wir lernten uns besser kennen und verbrachten dort eine wahnsinnig tolle Zeit. 24h, 7 Tage die Woche auf engsten Raum zusammen. Es war zu keiner Zeit anstrengend, fremd oder nervig. Ganz im Gegenteil. Es war die Probe! Die Probe für etwas ganz Großes. Ich sagte zu meinen Freunden: „Wenn ich aus Portugal wiederkomme, dann bekommt Ihr meine endgültige Entscheidung. Dann werde ich wissen, ob das passen könnte oder nicht.“
Eigentlich wusste ich vorher schon, dass es passt. Aber mir fehlte noch diese letzte Bestätigung. Ich wollte herausfinden, ob er all das wirklich ernst meinte. Ob er wirklich seinen Traum mit mir teilen wollte.
Am letzten Abend unserer Reise besprachen wir schon die Route für das ganz große Abenteuer und suchten im Internet nach Flügen. Immer wieder steckte mich seine Euphorie an. Und vor allem, dass er immer das Gute sieht. Er sucht immer nach Lösungen statt in Problemen zu denken.
To-Do-Listen für das große Abenteuer
Wir redeten über die Planung und Vorbereitung. Während Marco zu diesem Zeitpunkt schon Wohnung und Job gekündigt hatte, musste ich erst einmal all meine Gedanken ordnen. Für mich war es ein riesiger Haufen voll Arbeit. Marco sagte dann immer zu mir: „Betrachte nicht den ganzen Haufen! Konzentriere dich auf die einzelnen kleinen Teile! Heute die Versicherungen durchgehen, morgen die Zeitschriften-Abos, übermorgen was anderes. Dann ist der Berg schon nicht mehr so hoch!“. Ein sehr guter Tipp!
Zurück in Deutschland machten wir uns eine To-Do-Liste mit sämtlichen Aufgaben und Erledigungen. Impfungen, Wohnung untervermieten, Job kündigen, Reisepass checken, Verträge kündigen, Geld sparen, Nebenjobs, Kreditkarten organisieren und und und. Die Liste war sehr lang, dennoch konnten wir fast täglich Dinge abhaken und als „erledigt“ markieren. Ein wundervolles Gefühl!
Dann kam der Tag der Tage. Ich war in der Heimat und wusste, dass ich es meiner Familie erzählen muss. Bei einem Familientreffen hatte ich die beste Gelegenheit dazu. Auf dem Balkon sagte ich zu meiner Mutter: „Ich habe mich entschieden. Ich werde mit ihm auf Weltreise gehen!“ Im ersten Moment war meine Mutter sprachlos. Ängste überkamen sie. Während alle anderen extrem locker reagierten, konnte meiner Mutter es immer noch nicht fassen. Zwei Stunden später schickte sie mir auf Whatsapp eine „Medikamentenliste für Weltreisen“. Da wusste ich, sie hatte es verdaut und es akzeptiert.
Generell redete niemand negativ über unsere Pläne. Am häufigsten hörten wir von den ihnen: „Ihr macht alles richtig! Geht raus und schaut Euch die Welt an!“ Wir waren froh, denn alle unterstützten uns bei dem Abenteuer. Niemand sagte so etwas wie: „Kind, bist du denn verrückt! Du kennst den Kerl doch noch nicht so lange!“ oder „Willst du echt deinen super Job hinschmeißen? Deine Wohnung aufgeben und deine Familie verlassen?“.
Meine Familie war sowieso schon beim ersten Aufeinandertreffen mit Marco in ihn verliebt. Und auch ich verstand mich mit seiner Familie auf Anhieb super. Ich brauchte mir darüber also auch keine Gedanken mehr machen. Den Segen hatten wir. Heute sind sie stolz auf uns – das wir uns getraut haben! Die Familienbanden auf beiden Seiten verfolgen ganz gespannt unsere Reise.
21.09.2015 – Das große Abenteuer beginnt!
Nun stand dem Abenteuer also nichts mehr im Wege. Tag X rückte immer näher und so langsam wurden wir nervös. Hatten wir an alles gedacht? Hatten wir auch nichts vergessen? Der letzte schwere Schritt waren die Abschiede. Einfach herzzerreißend so etwas. Man umarmt die Mutter ein letztes Mal und hofft, dass einem nichts zustoßen würde. Man verabschiedet sich tränenreich von den Geschwistern, Nichten, besten Freunden und Verwandten.
Am 21.09.2015, acht Monate nach unserem ersten Date, starteten wir in das wohl größte Abenteuer unsere Lebens – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. Marcos Eltern begleiteten uns nach Prag, wo wir gemeinsam noch drei Tage zusammen die Stadt erkundeten. Dann ging es per Flieger Richtung Dubai. Hier musste nun Marco sich von seinen Eltern verabschieden. Auch ich konnte meine Tränen wieder einmal nicht zurück halten; wie so häufig. Alles was ins Herz geht, geht eben ins Herz.
Wir flogen los und verließen Europa. Nun war es also endgültig! Von nun an waren wir auf uns alleine gestellt. Es gab irgendwie kein Zurück mehr. Wir schauten aus dem Monitor mit der eingezeichneten Flugroute, hielten einander die Hände ganz fest gedrückt und lächelten zufrieden und glücklich. Unter uns Europa und vor uns die weite Welt. Wir hatten alles aufgegeben in Deutschland, um seinen Traum zu unserem zu machen. Wir haben nie daran gezweifelt und uns einfach getraut. Wir haben es bis heute nicht bereut und leben jeden Tag so, wie wir ihn uns wünschen.
Mittlerweile kennen wir uns ganz genau. Ich kenne seine Macken und er meine. Wir streiten uns auch mal, aber das gehört dazu. Man muss und kann nicht immer einer Meinung sein. Dennoch streben wir die gleichen Ziele an, haben Visionen und Träume. Wir ähneln uns so sehr und verstehen einander blind. Die Gefühle werden von Tag zu Tag stärker und bis heute haben wir uns einander nicht satt gesehen.
Wenn man loslässt kommen die Geschichten ganz von alleine
Wir schauen nicht mehr zurück sondern nur noch geradeaus. Wir wollen unsere Rucksäcke mit unvergesslichen Momenten und Geschichten füllen. Wie Julia Engelmann in ihrem bekanntesten Stück – Eines Tages werden wir alt sein – sagt: „Wer immer wir auch waren, lass uns mal werden wer wir sein wollen. Also los, lass uns Geschichten schreiben die für immer unsere sind. Unsere Zeit die geht vorbei, das wird sowieso passieren und bis dahin sind wir frei und es gibt nichts zu verlieren“. Und glaubt mir, wenn man loslässt kommen die Geschichten von ganz alleine.
Bisher waren wir vier Monate in Thailand unterwegs, drei Monate in Indonesien, in Singapur und einen Monat in Malaysia. Wir bekommen nicht genug davon und dennoch reisen wir ganz langsam. Wir lassen uns von nichts stressen und genießen all die Momente und Erlebnisse hier draußen. Wir wollen nicht durch die Welt ziehen, um ein Land nach dem anderen abzuhaken. Da wo es uns gefällt, da lassen wir die Rucksäcke auf den Boden fallen und bleiben einfach. Lernen die Menschen in der Umgebeung kennen, lassen uns die Orte zeigen, wo Einheimische essen gehen und tauchen ein in deren Welt.
Wir haben gelernt, mit weniger im Leben auszukommen. Wir haben nicht mehr so viel Geld und müssen natürlich auf das Budget achten, aber wir führen dafür ein weitaus erfüllteres Leben. Wir haben negative Dinge gesehen und erlebt, die unseren Horizont erweitert haben und auch dafür sind wir dankbar. Wenn wir zurückkehren, dann wird unser Leben nie wieder so sein, wie es einmal war. Wir sehen die Welt mit ganz anderen Augen.
Natürlich ist es auch schwer so fern von Familie und Freunden zu sein. Mit Skype, Facebook und Whatsapp können wir unseren Familien und Freunden aber ganz nahe sein. Das hilft ungemein. Heimweh haben wir selten, eher Fernweh. Wir wollen noch viel mehr sehen, noch viel mehr erleben. Ich bin oft über meinen Schatten gesprungen und habe mich getraut. Sei es der erste Tauchgang oder ein Trail durch den Jungle. Marco ermutigt mich immer wieder aufs Neue. Er gibt mir Kraft und vertraut mir.
Aber wisst ihr was am geilsten ist? Wenn Freunde und Familie den langen Weg auf sich nehmen, um einen zu besuchen. Zwei Wochen waren wir mit den Eltern von Marco in Thailand unterwegs und haben die schönsten Inseln gesehen. Zwei Wochen waren wir mit meinen besten Freunden auf Bali unterwegs und haben einen Vulkan bestiegen und ihnen die schönsten Ecken der Insel gezeigt.
Wie es weiter geht?
Gerade sind wir wieder auf Bali und planen eine Rundreise durch Java und Sumatra. Auch hier bekommen wir wieder Besuch. Dieses mal kommt ein sehr guter Freund von Marco. Anschließend wollen wir in die Regenwälder Borneos zu den letzen freilebeneden Orang Utans. Für den September haben wir günstige Flüge nach Südafrika bekommen. Und was danach passiert? Das wissen wir nicht. Wir lassen alles auf uns zukommen.
Wir wollen andere Menschen ermutigen, auch mal auszubrechen und sich einfach mehr Zeit zu gönnen. Zu oft liegt man in den Ketten des Alltags, zu oft vergisst man sich selbst dabei. Gönnt Euch was! Packt es an und verwirklicht Eure Träume! Es scheint oft so schwer aber mit jedem Schritt nach vorne, wird auch dieser Weg viel leichter. Hürden macht man sich oft selbst. Man denkt immer in Problemen statt in Lösungen. Wir haben gelernt, dass es im Leben auf ganze andere Dinge ankommt. Nicht das Auto, nicht die tolle Uhr oder die neusten Schuhe zählen. Es kommt darauf an, dass man der Lebenzeit mehr Inhalte gibt. Also raus aus den Federn und weg mit den unnötigen Dingen im Leben. Lasst Euch nicht stressen, von gar nichts und niemanden. Die Zeit ist zu wertvoll, um sie mit unnützen Dingen zu verschwenden. Ich weiß, solche Zitate stehen auf jedem coolen Vintage-Retro-Schild im nächsten Cafe. Aber wir haben es erfahren und wissen ganz genau wovon wir reden.
Und was soll schon passieren? Am Ende bereuen wir eh nur die Dinge, die wir nie ausprobiert und versucht haben. Die Frage „Was wäre gewesen wenn…?“ war für uns viel unerträglicher als die „Risiken“ die man eingeht. Wir leben im Jetzt und nicht im vielleicht Später.
Unsere Reise kannst du auf unserem Blog verfolgen. Wir freuen uns, wenn du uns mal einen Besuch abstattest.
Liebe Grüße aus der Ferne
Bolle & Marco
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