Mut zur Auszeit

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Warum es für eine längere Pause vom Job Mut braucht und wie man ängstlichen Einwänden begegnen kann.

Youbeee Expertenbeitrag

Kann es was Herrlicheres geben, als ein halbes Jahr nach dem eigenen Rhythmus zu leben, ein Jahr Zeit zu haben für alles, wofür im Arbeitsalltag nie Zeit ist? Ausreichend Muße, um seinen Körper wieder in Balance zu bringen oder bis dato ungelebte Träume zu verwirklichen? Eigentlich nicht, oder? Und dennoch setzen nur wenige eine Auszeit um. Der Grund heißt ganz einfach Angst. Angst vor Veränderung. Und sei die Veränderung noch so verlockend.

Jedes Loslassen, jeder Abschied von einer Situation schmerzt, selbst wenn die Situation im Augenblick noch so unbefriedigend ist. Jede Veränderung ruft zu allererst Widerstand hervor. Frei nach dem Motto „die alten Probleme kenne ich wenigstens schon, aber wer weiß, wie das Neue wird“, klammert man sich häufig am Alten fest, ohne den Mut zu haben, Neues in Angriff zu nehmen. Das ist verständlich und menschlich. „Meine Erfahrung mit Tausenden von Menschen hat mich gelehrt, dass sie nur deshalb an ihrem Elend hängen, weil sie eine gewisse Art von Freundschaft dazu entwickelt haben. Sie haben schon so lange mit ihrer Misere zusammengelebt, dass es sich wie eine Scheidung anfühlen würde, wenn sie damit aufhören würden“, bestätigte der spirituelle Lehrer Osho in seinem Buch „Mut“.

Also ist es günstig, sich in aller Freundschaft von der alten Misere zu trennen und neue Freundschaften zu knüpfen. Denn Neues kann letztendlich nur erlebt werden, wenn Platz dafür geschaffen wurde, indem Altes losgelassen wird. Sonst ist es wie mit einer Tasse Tee. Sie wird übergehen, wenn man immer nur nachschüttet und sie nie austrinkt oder ausleert.

So kannst du deinen ängstlichen Einwänden begegnen:

Angst Nr. 1: „Ich kann doch nicht einfach ein paar Monate in die Berge fahren und malen, während mein Mann/meine Frau das Geld nach Hause bringt.“

Vielleicht fiele diese Entscheidung leichter, wenn man sich selbst für Kindererziehung und Haushaltsarbeit einen fiktiven Lohn auszahlen würde, etwa den Lohn eines/r Handwerkers/in. Du wirst schauen, wie viel da zusammenkommt für Hosenflicken, Marmeladekochen und Englischnachhilfe.

Angst Nr. 2: „Das kann ich mir finanziell nicht leisten.“

Durchforste die Ausgaben eines Jahres. Lässt sich da wirklich nichts streichen? Auto? Versicherungen? Restaurantbesuche? Friseur? Urlaube? Überlege gleichzeitig deine Möglichkeiten, zusätzlich Einkommen zu lukrieren. Ein Zimmer untervermieten? Briefmarkensammlung verkaufen? Bausparvertrag auflösen?

Angst Nr. 3:„Wenn ich so lange weg vom Job bin, verpasse ich fachlich komplett den Anschluss.“

Ist es wirklich so? Wenn ja, wäre eine gemäßigtere Auszeit-Variante eine Möglichkeit? Kürzer und mit der Möglichkeit, sich auch in der Auszeit am laufenden zu halten? Wenn nein, wäre möglicherweise auch die Frage angebracht, ob du auf Dauer einen Job machen willst, wo keine Pausen möglich sind. Und ob dieses Immer-am-Laufenden-Sein-Müssen nicht genau der Grund ist, warum du dich so sehr nach einer Auszeit sehnst.

Angst Nr. 4: „Wenn ich zurückkomme, werden alle über mich herfallen, weil sie meine Arbeit mitmachen mussten.“

Dafür zu sorgen, dass deine Arbeit während deiner Abwesenheit zufriedenstellend erledigt werden kann, ist in erster Linie die Verantwortung deines Vorgesetzten. In den meisten Fällen gelingt es sehr gut, die Arbeit neu zu verteilen. Am schwierigsten ist dann oft zu akzeptieren, wie leicht die Arbeit an andere aufzuteilen ist und zu sehen, wie ersetzbar man trotz allem Knowhow ist. 😉

Angst Nr. 5:„Wenn ich ein Jahr nur gemacht hab, wonach mir ist, kann ich mir nicht vorstellen, jemals wieder die absurden Anordnungen meines Vorgesetzten auszuführen.“

Hoppla. Läuft da nicht prinzipiell etwas verkehrt, wenn du Anordnungen nur ausführst, noch dazu absurde. Wäre die Rückkehr nicht die Chance, einmal ein offenes Gespräch mit deinem Vorgesetzten zu führen? Wann wäre der Zeitpunkt günstiger als nach einem Freijahr, wo du Energie getankt hast und dir selbst näher denn je warst?

Angst Nr. 6: „Eine Auszeit sieht mein Arbeitgeber sicher nicht gern. Nachher bin ich unten durch und ich habe alle meine Aufstiegschancen verpasst.“

Manche Arbeitgeber könnten es so sehen, aber für viele ist der Auszeitwunsch eines Mitarbeiters auch ein Zeichen, dass er weiß, was er braucht und dass er eigenständig denkt und Ziele konsequent verfolgt – durchaus Qualitäten, die bei „Aufsteigern“ gefragt sind.

Angst Nr. 7: „Eine Auszeit in meinem Lebenslauf ist eine große Hürde, wenn ich mich einmal um einen neuen Job bewerben möchte.“

Im Gegenteil. Auszeitnehmer genießen ein gutes Image bei potenziellen Arbeitgebern, da sie als gut erholt und innovativ gelten. Arbeitgeber beschäftigt viel mehr die Frage, ob ein Bewerber auch wirklich länger im Unternehmen bleiben will und nicht nach einer für das Unternehmen belastenden Einarbeitungszeit wieder gehen möchte.

Lesetippps

Christa Langheiter, Mut zur Auszeit, Redline Wirtschaft, 2. Auflage 2012

www.mut-zur-auszeit.at

Christa Langheiter, Nur Mut! Übungen und Inspirationen für ein Jahr (52 Karten), 2012, Eigenverlag

Hape Kerkeling, Ich bin dann mal weg, Piper, 2009

Janwillem van de Wetering, Der leere Spiegel, Erfahrungen in einem Zenkloster, Rororo, 2012

Anselm Grün, Im Zeitmaß der Mönche. Vom Umgang mit einem wertvollen Gut, Herder, 4. Auflage: 2003

Titelbild

Titelbild © Roman Pfeiffer flickr CC by 2.0 auf flickr.com

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