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Regina Schlager bezeichnet sich selbst als „Ermöglicherin“ von Lernräumen. Vom 21. bis 25. September 2015 findet zum ersten Mal die von ihr organisierte Online-Berufungskonferenz statt. Männer und Frauen versammeln sich, um der Frage nachzugehen, wie wir unser Leben und unsere Arbeit sinnvoller gestalten können. Im Interview spricht Regina Schlager über die Beweggründe zur Konferenz, über die Wichtigkeit der fruchtbaren Verbindung von männlichen und weiblichen Qualitäten als auch über den Aspekt des Miteinanders, welcher das Gestalten einer persönlichen Berufung erst möglich macht.
Regina, welche Menschen sprichst du mit der Konferenz an?
Menschen, die ein diffuses Unbehagen in ihrem Leben und ihrem Beruf spüren und gar nicht genau sagen könnten, was denn eigentlich los ist. Menschen, die sich müde fühlen und nach Gelassenheit und Leichtigkeit sehnen. Menschen, die voller Kraft und Energie sein möchten. Menschen, denen klar geworden ist, dass ihre derzeitige Arbeit nicht das ist, wo sie sich selbst wirklich einbringen können. Menschen, die sich mit all diesen Fragen alleine fühlen und nicht wissen, an wen sie sich damit wenden können. Menschen, die Sehnsüchtige sind, Fragende und Tatkräftige. Die Dinge auch mal von einem anderen Blickwinkel betrachten möchten, ausgetretene Pfade verlassen und sich mit Neugier auf Neues einlassen.
Letztlich alle, die lebendig sein wollen und ihr Leben und ihre Arbeit gestalten möchten.
Wie können Menschen mehr Sinn in ihrer Arbeit finden?
Was bei vielen heute aufbricht, ist der Wunsch nach selbstbestimmter und erfüllender Tätigkeit. Und das finde ich wundervoll. Das macht allerdings auch schnell einmal sehr unsicher. Es können sich Blockaden zeigen, oder aber Zweifel und Ängste kommen auf. Da ist es wichtig zu lernen, wie wir damit umgehen. Denn gerade diese Unsicherheit zeigt ja an, dass etwas Neues am Entstehen ist, und genau das gehört zum Prozess dazu. Aber leichter gesagt als gelebt. Da ist es aus meiner Sicht ganz unverzichtbar zu wissen, dass wir nicht alles alleine schaffen müssen. Nein, wir können einander dabei unterstützen.
Welche Rolle spielt das Miteinander beim Gestalten meiner ganz persönlichen Berufung?
Ich glaube, dass es ohne ein Miteinander gar nicht geht. Die Zeit des einsamen Helden ist meines Erachtens vorbei. Diese Geschichte haben wir uns solange erzählt, solange es wichtig war, unsere Identität als selbstbewusste Subjekte herauszubilden. Wir müssen unsere Subjektivität nicht aufgeben zugunsten eines Aufgehens im Kollektiv. Wir haben aufgrund unserer Erfahrungen im 20. Jahrhundert zu Recht Angst davor. Es geht meines Erachtens im Gegenteil darum, selbstbestimmt zu leben im Sinne von: Ich weiß um meine Stärken und auch meine Grenzen, ich nehme mich in meinem Menschsein an mit all meiner Schönheit sowie auch meinen Unzulänglichkeiten und Abgründen. Und ich lasse die Verbundenheit zu anderen Menschen, anderen Lebewesen und unserer schönen Heimat Erde zu. Ich erlebe mich nicht getrennt davon.
Du hast 11 Frauen als Gesprächspartnerinnen in der Online-Konferenz. Wie hast du sie ausgewählt?
Ich habe mich gefragt, welche Aspekte zum Thema „Berufung gestalten: Den eigenen Weg mit Kraft und Leichtigkeit gehen“ wichtig sind? Wer bringt hier Erfahrung aus dem Leben und der Arbeit mit und kann Wichtiges und Hilfreiches dazu sagen? Ich erfahre ja auch in meinen Coachings, wo die Leute der Schuh drückt. Und ich bin davon ausgegangen, wo ich selbst etwas lernen und mehr erfahren möchte. Ein ganz zentraler Punkt war für mich, Frauen einzuladen, die ihren persönlichen Weg verantwortlich und selbstbestimmt gehen, die mit Menschen und auch Organisationen arbeiten und die bereit sind, sich mit anderen auszutauschen und ihr Wissen zu teilen.
Warum hast du nur Frauen als Referentinnen und keine Männer eingeladen?
Da habe ich selbst einen Prozess durchlebt. Zunächst wollte ich die Berufungs-Konferenz gezielt an Frauen richten. Ich habe das auch in meiner Coachingpraxis ein paar Jahre lang so gehalten. Dann bin ich aber davon abgekommen. Diese Ausschließlichkeit hat sich für mich nicht mehr richtig angefühlt. Mir geht es sehr wesentlich darum, wie wir weibliche und männliche Aspekte in fruchtbare Verbindung bringen können. Das ist sicher ein Thema für Frauen als auch für Männer. Ich hoffe also, dass sich Männer angesprochen fühlen und mitmachen! Es haben sich ja auch bereits Männer angemeldet, was mich sehr freut.
Wir haben jetzt viel über Berufung gesprochen. Was bedeutet sie für dich? Warum findest du es so wichtig sie zu finden?
Die Berufung sagt etwas darüber aus, wozu wir hier auf der Welt sind, was wir zu geben haben. Wir tragen die tiefe Sehnsucht in uns, uns selbst auszudrücken. Wenn wir das tun, dann erleben wir das als sinnvoll und erfüllend. Jeder Mensch ist einzigartig. Ich mag das Bild, dass es einen großen Gesang des Lebens gibt, in dem jeder von uns seinen Ton beizutragen hat, sonst wirkt der Gesang nicht rund, sonst fehlt etwas.
Ich spreche vor allem von „Berufung gestalten“. Berufung ist für mich nicht etwas, das wir so wie ein Päckchen am Wegrand finden, und das war es dann für den Rest des Lebens. Es ist ein aktiver, ein schöpferisches Prozess, der ein Leben lang andauert.
Um Berufung gestalten zu können, braucht es da nicht ein gewisses Stillstehen? Wir leben in einer Zeit des Immer schneller, immer mehr…. Darf ich mir heute überhaupt erlauben innezuhalten, um meinen Bedürfnissen, Wünschen nachgehen und zu ihnen stehen?
Unsere individuellen und kollektiven Denkmuster und Handlungsweisen sind in die Krise geraten. Wir erkennen allmählich, dass uns ein „Schneller. Höher. Weiter. Mehr. Mehr. Mehr“ nicht wirklich glücklich macht, ja dass es unsere Lebensgrundlagen und damit auch diesen wunderbaren Planeten Erde zerstört. Wir spüren das selbst am eigenen Leib mit Depressionen, Burnouts und tiefen Sinnkrisen. Wir sind ja nicht abgetrennt von diesen größeren Zusammenhängen. Wir sind eingebunden in ein Netz des Lebens. Entschleunigung ist unabdingbar: Pausen, Zeit für Muße und Reflexion, innere Gelassenheit.
Ja, wir dürfen uns die Erlaubnis zum Innehalten geben! Wer denn sonst, wenn nicht wir selbst. Aber ich stimme zu, dass das nicht einfach ist.
Was braucht es dazu?
Da braucht es eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Normen: Welche sind das? Wie erlebe ich sie? Inwiefern habe ich sie verinnerlicht? Was ist passend für mich? Was nicht (mehr)? Oft gehört dann schon eine gehörige Portion Courage dazu, zu den eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu stehen.
Wir dürfen uns zugestehen, da sehr sanft und liebevoll mit uns selbst umzugehen.
Liebe Regina, vielen Dank für das Gespräch!
Ablauf der Online-Berufungs-Konferenz
Von 21. bis 25. September 2015 findet täglich um 9.00 und 19.00 Uhr ein etwa einstündiges Live-Gespräch statt. Interessierte können sich auf der Veranstaltungswebsite mit Eingabe ihrer Email-Adresse anmelden. Sie erhalten dann nähere Infos und die Zugangsdaten. Es ist möglich, live bei den Gesprächen mit 11 Frauen dabei zu sein, sich auch mit Fragen und Kommentaren einzubringen. Oder aber man hört sich die Audioaufzeichnungen im Nachhinein an. Das ist sehr praktisch, wenn man sich nicht die Zeit für alle Gespräche zum Livetermin nehmen kann, und auch wenn man sich noch etwas in Ruhe, auch öfters anhören möchte.
Die Konferenz bringt Menschen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum zusammen, ermöglicht Regionen übergreifende Vernetzung.
Fotos: © Regina Schlager; Foto „Regina Schlager“ fotografiert von Frederike Asael
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